Sonntag, 29. März 2015

Eingestädnis


Dese Frage habe ich mir schon häufiger gestellt: Ich kenne Gedichte von Wilhelm Busch, von Fontane, Storm oder Schiller und kann nahezu jede Stelle im Faust (1.Teil) weiterführend ergänzen, von meinen eigenen Gedichten kann ich gar nichts auswendig. Ich habe mir gedacht, daß im Laufe von sechs Jahren und über dreitausend Gedichten vielleicht kein Platz mehr für die vielen Themen in meinem Gedächtnis wäre... oder
hatte ich übersehen, daß diese, meine Machwerke, einfach nicht gut genug für das Bewahren hinter meiner Stirn
waren und sind? Warum habe ich sie aber dann zu Papier gebracht bzw. veröffentlicht?
Zugegeben als Hauspoet beschleicht einen schon eine gewisse Eitelkeit aber gerade deshalb hätte ich meine Verse doch auswendig daher sagen können, zumal dies bei meinen diversen Lesungen bestimmt Eindruck gemacht hätte. Heute weiß ich auch, daß meine Gedichte im Internet mit über 570.000 Klicks offenbar auch mit Freude gelesen werden. Der Grund warum ich eigene Gedichte also nicht rezitieren kann muß offenbar woanders liegen.
Nach reiflicher Überlegung und allen Analysen kritischer, wirklich sehr kritischer Betrachtung ist mir eines aufgefallen, die Ursache liegt ganz offenbar in einigen Charakterschwächen von mir. Da ist erstens eine gewisse Fahrigkeit, zweitens mein Hang zur Ungeduld und drittens möglichst alles ohne große Anstrengung hinter mich zu bringen. (ein gutes Beispiel dafür ist mein selbskritisches Gedicht „Zettelwirtschaft“)
Ein Gedanke, ein Thema oder ein Ereignis inspiriert, ja drängt mich, das in lyrischer Form zu verarbeiten. solange ich diesen Vorgang gewissermaßen geistig durchknete und mit hastigen Hieroglyphen zu Papier bringe, ich benutze nie gleich die Computertastatur, gehört der Gedankengang ausschließlich mir. Die Hast des Schreibens ist wie eine Flucht aus meinem Kopf, die ihr Ende findet, wenn der letzte Buchstabe das Papier verunziert. Die Übertragung auf den Computer erfolgt dann mit jener Fahrigkeit und Ungeduld, die den Fehlerteufel wie ein Rumpelstilzchen tanzen läßt. Vielfach nehme ich mir nicht mehr die Zeit Schreibfehler, Tippfehler zu korrigieren, das könnte ja anstrengend werden! Soviel erst einmal zum technischen Ablauf,
der natürlich ein „ein Einbrennen“ in das Gedächtnis nicht zuläßt. Woher aber die unmögliche und ungewöhnliche Arbeitsweise seinen eigentlichen Ursprung gerade beim lyrische Schreiben sich bei mir entwickelte hat mit Fluchtgedanken zu.
Wenn ein Gedicht von mir entsteht, ist es wie ein Embryo in meinem Kopf, der sich nach und nach entwickelt.
Das Gedicht (die Geschichte) gehört ausschließlich mir und durch mein hastiges Schreiben verhindere ich, daß durch Störungen von außen etwas verloren geht.
Halte ich mein Werk für vollendet, dann ist es wie bei Kindern, die erwachsen geworden sind. Sie verlassen das Haus (sprich meinen Kopf) und flüchten in die Cyberwelt in der ich sie zwar noch besuchen kann aber sie gehören nicht mehr mir (juristisch sieht das anders aus) sie sind allen zugänglich und haben sich somit von ihrem Schöpfer entfernt. Der bemüht sich auch nicht sie wieder zurückzuholen, denn anderes drängt nach und will auch behandelt sein.
So entsteht der Fakt „aus den Augen, aus dem Sinn“. Meine Gedichte sind Stiefkinder meines Interesses, wenn sie Allgemeingut werden. Bei der Zusammenstellung bei öffentlichen Lesungen oder interessierten Anfragen zur
Verwendung unterschiedlicher Zwecke frage ich mich manchmal erstaunt: „Und das habe i c h geschrieben?“
Glauben Sie mir, es ist mir nicht leicht gefallen dieses EINGESTÄNDNIS der Ignoranz eigener Werke öffentlich zu machen...und dies bei meiner eingestandenen Eitelkeit.

Keine Kommentare: