Mittwoch, 13. August 2008

Spekulation

Neulich traf ich einen Freund, der einen sehr bedröppelten Eindruck machte.“Ist etwas passiert?“ fragte ich ihn teilnahmsvoll. Er nickte nur, während ihm Tränen in den Augen standen. „Hoffentlich ist niemand gestorben, der dir nahestand!“ Mitleid stieg in mir auf. „Nein, das nicht,“ antwortete er mit leiser Stimme, „ich habe mich verspekuliert.“ Nun, mein Freund ist mir als Zocker bekannt, abgebrüht bis auf die Brusthaare. Bei der Reaktion musste er sich total ruiniert haben. Mein Mitleid wandelte sich schlagartig in pure Neugier. Schlechte Nachrichten dieser Art aus dem Freundeskreis entwickeln seltsamer Weise ein eigenartiges Kribbeln in mir, um es zu verdeutlichen : es ist eher ein Anflug von Schadenfreude, wie das bei Menschen mit charakterlichen Defiziten, die mir nachgesagt werden, passiert. Wäre schön, wenn ihr das nicht weiter ausplaudern würdet.
„Wie konnte das passieren,“ fragte ich mit gespielter Fassungslosigkeit.
„Du kennst doch Taiwan Elektronics Ing.“ Ich nickte verständnisvoll. Firmen mit Elektronics oder Hypo im Namen sind aufgeblasene Luftschlösser, die als Fata Morgana in Asien oder USA wie das Schloss Neu Schwanstein am Erwartungshorizont erscheinen und sich bei näherem Hinsehen als heruntergekommene Bretterbude erweisen, die nicht einmal mehr als Kulisse für schlechte Westernfilme taugen würden. Unvorstellbar, wie mein Geizprofi von Freund auf derartige Aktien hereinfallen konnte.
Neugierig insistierte ich, warum er sein Liebstes, nämlich sein Geld, in derart windige Geschäfte gesteckt hatte.
„Habe ich doch gar nicht – im Gegenteil“, nöhlte mein dollarsüchtiger Freund.
Meine Verblüffung war total.“Stell dir vor,“ fuhr mein bedauernswerter Gegenüber fort,“stell dir vor – die Aktien haben um 745 Punkte von jetzt auf gleich zugelegt.“ „Wie schön für dich“, der Sarkasmus in meiner Stimme liess sich nunmehr nicht verbergen. „Ja, Scheisse,“ sagte er ziemlich unflätig und diesmal schwang einSchuss Wut mit in der Stimme,“ich habe die Aktien vor Börsenschluss abgestossen und nun einen Gewinn-Erwartungs-Verlust von 17.000 Dollar erlitten!!“ schrie er mich fast an.
Gewinn-Erwartungs-Verlust - beinahe wäre mir die Luft zum Atmen weggeblieben. Ich erholte mich jedoch schnell wieder und spendete Trost :
„ Ach, ein Drittel so schlimm, sind doch nur etwa 11.300 Euro „ –war der Spott zu hören? Mein Freund drehte sich wortlos um. Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen.
Freundschaft ist etwas Schönes – aber auch sehr fragil, wenn es um Geld geht, selbst um Geld, das man gar nicht hat.
Kein Schaden ist jedoch zu gross – es ist immer Profit dabei, pflegte meine kluge Oma stets zu sagen. Oma, so ist es. Ich habe etwas gelernt, nämlich warum man in den Quartalsberichten der börsenorientierten Unternehmen nie von Verlust- aber immer von Gewinnwarnungen spricht. Vor Gewinnen muss man tatsächlich warnen – sie führen sonst zu Gewinn-Erwartungs-Verlusten.
Ruinös! Auch als Betriebswirt lernt man noch dazu. Danke, Oma!

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