Montag, 23. April 2012

Wer kann schon zwei Herren dienen?

Sein Name schien Programm für sein Leben zu sein: Albert Grafenstein zu Marsberg vom Hofe. Seine Eltern höchst prämierte Rauhaardackel hatten ihn an Gestalt und Charakter all das vererbt, was einen Rassehund seiner Art ausmachte. Daher war er auch etwas länger als eine Welpengeschwister bei der Mutter geblieben, weil der Züchter ihn eigentlich behalten wollte, bis er sich durch ein hoch lukratives Angebot eines Freizeit-Jägers dennoch entschloß ihn herzugeben.
Albert hatte es in seiner neuen Umgebung gut, man ist versucht zu sagen: etwas zu gut.
solange er ein tapsiger Junghund war, wurde er verwöhnt und verhätschelt, besonders von dem zehnjährigen Sohn des Hauses, der sehr zum Ärger seines Vaters den Hund offenbar als Spielzeug betrachtete und ihn mehr mit sich herumtrug als ihm die entsprechende Bewegungsfreiheit eines Jagdhundes zu geben.
Sein Herr hatte ihn zu Zwecken der Jagd erworben und so sollte er auch erzogen werden.
Albert wuchs heran und hatte nach Dackelart auch seinen eigenen Kopf. So stand das Verwöhnprogramm des Jungen im Gegensatz zu den strengen Gehorsamsübungen des Jägers. Laßt es mich so ausdrücken: Albert lebte in zwei Welten – er wurde hin und her gerissen, was schließlich dazu führte, daß er tagsüber, wenn der Freizeitjäger nicht zu Hause war, das tat, was einem Dackel-Schädel so in den Sinn kommt – besser gesagt in den Un-Sinn.. Dazu gehörte ein unbändiger Freiheitsdrang, der ihn in die Nachbarschaft führte, wo er herrlich in den Blumenbeeten der Vorgärten buddeln konnte, seine Tretminen überall gerecht verteilte und sich auf diese Weise eine Vielzahl von Feinden zulegte.
Albert störte das wenig. Er zeigte den Nachbarn seine Verachtung indem er ihnen an die Sträucher pisste, worauf die selbigen vor Trauer ihre Blätter verloren.
Es nutzte auch nicht viel, daß die Nachbarn in ihre Vorgärten Schilder aufstellten mit so sinnigen Sprüchen wie: „Hunde unerwünscht“ oder „Demnächst machst du die Sch... selber weg“ und was sie sich sonst noch alles einfallen ließen. Hatten diese Aktionen etwa Erfolg?, Nein, wie ihr euch denken könnt, war Albert zwar in der Lage seinem Herrn die Zeitung zu apportieren aber lesen konnte er sie nicht. Also hatten die Nachbarn diesbezüglich Albert überschätzt und demnach mit Zitronen gehandelt.
Nun begab es sich, daß ein kleiner Junge aus der Nachbarschaft sein Zwergkaninchen an der Leine nach draußen führte. Das hoppelte ein bißchen vor sich hin bis sich plötzlich die Leine löste und das Kaninchen sich seiner Freiheit bewußt wurde. Der Junge versuchte es einzufangen aber es spielte offenbar mit ihm. Gerade, wenn er dachte, er könnte es schnappen...schwupps...ein kleiner Sprung und der Junge hatte das Nachsehen.

Albert war zur gleichen Zeit wieder einmal auf Entdeckungs-Tour. Er sah, wie das Kind vergeblich versuchte das Haustier wieder einzufangen. Das nagte an Alberts Jagdehrgeiz und da er zu gerne seine Hilfe anbot, wenn es darum ging nach irgend etwas zu schnappen, spurtete er wedelndes Behangs wild auf das Kaninchen zu, packte es am Genick und...
Das Fellbündel hatte gerade noch Zeit einen spitzen Todesschrei auszustoßen, bevor es sich zu seinen Vorfahren im Kaninchenhimmel versammelte.

Was jetzt folgte ist ein menschliches Drama und gehört wegen der Rechtsfolgen, der Regungen wie Zorn, Trauer oder auch Schadenfreude hier nicht weiter beschrieben.
Jeder kennt doch die menschlichen Verhaltensmuster.
Die Folgen für Albert aber waren fürchterlich: er wurde an einen Förster verkauft, der ihn trotz adeliger Herkunft zu sklavischem Gehorsam erzog. Eine echte Dackeltragödie!

Keine Kommentare: