Mittwoch, 14. November 2012

Alles nur Legende



Es war Martinstag. Wie üblich zogen die Kinder mit ihren Laternen durch die Gassen, um zum Ende des Umzuges den Höhepunkt des Martinsspieles mit leuchtenden Augen zu verfolgen. Der nachgeheiligte Martin zerschneidet aus Barmherzigkeit seinen Mantel
um einer armen Sau einen Kälteschutz zu gewähren. Ein Gutmensch wie er im Buche bzw. in der Legende lebt. Offenbar hat es in den vielen Jahrhunderten danach keine Barmherzigkeit mehr gegeben
(außer, daß, oh Freude, auch ein gewisser Nikolaus in der heutigen Türkei einen Geldbeutel durch ein Fenster warf, was man auch als Einmischung in Familienangelegenheiten hätte deuten können.)
Beiden wurde Unsterblichkeit in dem Gedächtnis von Christen zuteil,
waren sie vermutlich die Einzigen, die sich so verhielten, wie Jesus es einst gepredigt hatte?
Das zu ergründen setzt investigatives Forschen voraus. Dies kann man am besten indem man die unmittelbar beteiligten Personen befragt. In diesem Fall Martin selbst.
Der aber singt bereits im Chor anderer Heiliger zum Segen der Menschheit und gewisser Kirchenkreise derzeit nur Haleluja!
Um hier ein geeignetes Interview zu erlangen, muß man sich per Hypnose in frühere Zeitalter zurückversetzen lassen. Fernsehzuschauer der einschlägigen Anstalten wissen inzwischen wie man das macht.
Ich gehe also in das vierte Jahrhundert per Hypnose zurück...und wen treffe ich? Ihr habt es längst erraten: einen alten Herrn, seines Zeichens Bischhof, der da noch ungeheiligt über sein Leben nachdenkt. Er ist zu einem Gespräch mit mir bereit, das Wort Interview ist ihm noch fremd.
Ich: Herr Bischof, oder soll ich sagen Herr Heiliger?
M,: Martin genügt!
I.:Schön, daß ich Sie etwas fragen darf. Ich hatte dies schon am Martinstag vor, aber da hatten sie überall so viel zu tun, da mußten ihrem Pferd ja schon die Hufe qualmen.
M.: Mhm!
I.: Wie erklären Sie sich, daß nach so langer Zeit sich die Christenheit
an Ihre Tat erinnert?
M.: Nun, die Kirche vergißt ihre Bischöfe nicht, der Tradition wegen.
I.: Nein, ich meine als Sie noch nicht Bischof waren...die Teilung des Umhanges!
M.: War das ein Theater! Das hat mich meine militärische Karriere gekostet!
I.: Das interessiert mich, erzählen Sie.
M.: Wir waren schon seit Jahren im kalten und feuchten Germanien.
Ich befehligte eine Hundertschaft von Auxiliaren, also Hilfkräften,
von denen einige einen gewissen Jesus verehrten – einen Aufständischen, den man vor ca. dreihundert Jahren gekreuzigt hatte.
Mir war das Unangenehm, denn die Verehrung galt dem Kaiser und natürlich Jupiter. Aber unsere Lebensbedingungen in Germanien waren äußerst schlecht, so daß viele Jupiter um Änderung anflehten,
manche jedoch den von ihnen verehrten Gottessohn Jesus.
Auch ich betete zu Jupiter aber stets vergeblich. Da gab mir einer
meiner Untergebenen den Rat mich an Gott zu wenden, dies jedoch nicht ohne vorher in diese Religion eingewiesen zu werden, was in einer heimlichen Taufe endete. Ein Centurio, der sich hat taufen lassen, das durfte natürlich niemand erfahren.
I.: Sie sind also durch die Taufe zu einem anderen Menschen geworden?
M.: Zunächst einmal nicht! Trotz meiner Gebete wurden auch die Zustände in der Kaserne nicht besser. Zu allem Überfluß hatten wir einen starken Kälte Einbruch und ich fror ganz entsetzlich auf einem meiner Kontrollritte.
Da sah ich einen fast nackten Mann an einer Mauer kauern.
I.: Da hat sie also die Nächstenliebe und die Barmherzigkeit ergriffen,
wie Jesus sie gepredigt hatte...
M.: Nicht so ganz... ich hatte ja selbst gesehen, wie mir der Frost zusetzte, da war es wohl angeborene Hilfsbereitschaft wie sie in meiner Militärerziehung immer wieder gefordert wurde. Ich habe deshalb auch nicht den ganzen Umhang hergeschenkt sondern ihn geteilt..ich wollte schließlich auch nicht frieren. Heute weiß ich Jesus hätte anders gehandelt, wenn ich an den Backenstreif erinnern darf,
der dazu führte noch die andere Wange hinzuhalten.!
I: Wie ging es dann weiter?
Als ich zurück ins Lager kam, hatte ein christlicher Soldat, der die Szene beobachtet hatte, meine Barmherzigkeit herumerzählt. Das hat meinem Kommandeur nicht gefallen. Ich mußte meine Ausrüstung ausbreiten und sofort war klar: ich hatte mich am Militäreigentum vergriffen.
I.:War das schlimm? Immerhin war es doch nur eine Beschädigung...
M.: Sie vergessen ich war als Centurion ein Konvertit wie man später sagen wird. Ich bekam drei Tage verschärften Arrest. Meine Karriere war zu Ende, ich konnte und mußte Neues beginnen.
I.: Und so wurden Sie Bischof...
M.: Na, so direkt ging das natürlich nicht aber mit der Legende meiner
gezeigten Nächstenliebe, die sich in den noch kleinen Christlichen Gemeinden herumgesprochen hatte, nütze mir diese Episode.
I.: Ich weiß, daß sie nach Ihrem Tode heilig gesprochen wurden.
M.: Das ist mir schon peinlich...ich meine es gibt Millionen von Taten, die Menschen im Namen der Barmherzigkeit begangen haben
aber so ist Politik..auch in meinem Verein.
I.: Herr Martin, ich bedanke mich für das Gespräch.

Ich werde aus der Hypnose zurückgeholt. War das alles??

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