Mittwoch, 20. Mai 2009

Undank

Ich hatte einen Freund – die Betonung liegt auf hatte – der heißt Natahal Plumbsack. Ein Mann solchen Namens kann keine Freunde haben, er ist überall benachteiligt, also ein geborener Verlierer und bei denen sind Freundschaften rar gesät. Mit anderen Worten: gibt es nichts zu erwarten, gibt es auch keine Freundschaften. Ich, der ich ein Gutmensch ohne vergleichbares Gegenstück bin, bilde da natürlich eine Ausnahme wie ich ohnehin ja eine Ausnahmeerscheinung in Güte, Klugheit und Bescheidenheit bin. So sagt man mir jedenfalls nach bzw. ich mir selbst, denn wenn einer Recht hat, dann ich. Diese Selbstverständlichkeit ist zwar nicht erwähnenswert aber zur Einführung dessen, was ich gerne mitteilen möchte, ganz schön nützlich.
Jener Natahal Plumbsack suchte mich regelmäßig auf, um einen guten Rat bei mir abzuholen, den ich in meiner Freigebigkeit auch stets erteilte – natürlich gegen nur geringes Entgelt- wir waren zu diesem Zeitpunkt immerhin noch Freunde. „Sag mal,“ begann er in seiner unverblümten Art mich auszufragen“,wie machst du das eigentlich so erfolgreich zu sein. Du besitzt eine Jacht, eine Villa in bester Lage, fährst einen Ferrari, bist Vorsitzender im Golfclub und unterhältst vier Polopferde aber ich sehe dich nie arbeiten?“ Ich spürte einen feinen Hauch von Neid durch mein 200qm großes Wohnzimmer wehen. Aber als guter Freund konnte ich ihm schwerlich die Antwort verweigern. „Du weißt, dass ich ein Naturfreund bin,“
sagte ich im Flüsterton, man weiß ja heutzutage nicht von wem man abgehört wird,“ also habe ich mich auf eine rein biologische Tätigkeit spezialisiert – ich bin Imker!“ Das ungläubige Staunen verschaffte meinem Gegenüber offenbar die notwendige Zeit über das Gesagte nachzudenken oder es auch zu verdauen. „ Davon kann man sooo leben ?“ fragte er etwas naiv im Unglauben merkwürdig verharrend. „Aber ja“, klärte ich ihn auf ,“ „ich besitze drei Bienen.“ Er lachte freudlos. „ich bin zu dir gekommen, um einen guten Karriere-Rat einzuholen, veralbern kann ich mich alleine. Aber bitte, wenn dir meine Freundschaft so wenig wert ist…“ seine Verbitterung war nicht gespielt. „Lass es dir erklären,“ spielte ich den Großzügigen. Drei Bienen allein genügen natürlich nicht. Es kommt immer auf den Standort an, ich habe die drei am Bahnhof plaziert, was eine ausgezeichnete Wahl war, im nachhinein betrachtet.“ „Du bist ja ein richtiges Schwein,“ die leichte Bewunderung war unüberhörbar. Dann verließ er mich ohne ein weiteres Wort des Dankes und ohne das sonst übliche Honorar zu hinterlassen. Ich schrieb die Summe folglich in ein Büchlein mit dem Namen Debitoren, denn im Alter wird man schon mal vergesslich.
Es dauerte keine vierzehn Tage, da fingen meine Einahmen an zu schrumpfen. Als erstes musste ich die Poloponies aufgeben, man kann ja rechnen. Es dauerte keinen weiteren Monat,
da sah ich mich gezwungen, meine Jacht aufzugeben und vom Vorsitz im Golfclub zurückzutreten. Die Merkwürdigkeiten nahmen zu und mein Vermögen rapide ab. Aufgabe des Ferraris, Verkauf meiner prachtvollen Villa. Es war nicht zu übersehen, ich hatte den Pleitegeier im Haus. Entgegen meiner Gewohnheit wurde es Zeit, mich um die Geschäfte vor Ort zu kümmern. Ich fuhr also mit dem Fahrrad zum Bahnhof. Als erstes fiel mir ein Ferrari auf, den ich als mein ursprüngliches Eigentum erkannte. Ihm entstieg mit dicker Cohiba im Mundwinkel – richtig, seine großkotzige Majestät Nathahal Plumbsack. Freudig trat er auf mich zu, schlug mir auf die Schulter und steckte mir einen fünfzig Euroschein jovial in die Tasche meines Jacketts, wo für gewöhnlich das Kavaliertüchlein seinen unangefochtenen Platz hatte. „Das schuldete ich dir noch für den guten Rat, den du mir erteilt hast,“ murmelte er leicht verlegen. Ich bin mit zwei Bienen angefangen, die ich dir abgeworben habe. Dann gefiel mir die Art Geld zu verdienen und ich bin inzwischen mit sechs Bienen am Bahnhof vertreten. Meine Bodyguards verhindern, dass sich ein Konkurrent hier noch einmischt. Dein Rat war wirklich Spitze!“ Ich fummelte den Fünfziger aus der Tasche und knallte ihn ihm vor die Füße. „Undank ist der Welten Lohn“ schrie ich ihn wenig originell an. Das war die Kündigung einer bis dato wunderbaren Freundschaft. Zugleich aber der Rückzug aus der menschlichen Gemeinschaft. Meine Verbitterung über die unverhoffte Armut war so groß, dass ich mich nunmehr ausschließlich mit toten Gegenständen umgab. Machte mich das glücklicher? Nein, denn ich lernte sehr schnell, dass auch Gegenstände eigenwillig und undankbar seien können. Glaubt dies einem gebrochenen Mann, der die gemachten Erfahrungen niederschrieb, um andere zu warnen, denn ich bin weiterhin ein Gutmensch.
Als solcher fiel es mir auch schwer, Gegenstände, die einst von menschlichem Geist entworfen und handwerklich umgesetzt wurden, einfach der Müllkippe anzuvertrauen. Das hat so ein Gegenstand nicht verdient. Auch alte Esszimmerstühle, arg mitgenommen von mangelnder Rücksichtnahme nicht, denen ich zu neuem strahlenden Ansehen verhelfen wollte, so als Gutmensch – ehrlich gesagt hatte ich auch gar kein Geld mir neue zu leisten, wie oben ausgeführt. Motive mal beiseite gelassen, mit Schmirgel und Farbe ging ich frisch ans Werk.
Nach endlosen Tagen und literweise vergossenem Schweiß, glaubte ich endlich mein Werk vollendet zu haben. Stolz betrachtete ich die erwachten Schönheiten von allen Seiten. Da,
da war noch eine Stelle ohne Farbabdeckung. Ich korrigierte. Doch dann –
grinsten mich die Stühle und deren unbearbeiteten Stellen von allen Seiten höhnisch an.
Hahah schienen sie zu lachen – was die natürlich nicht konnten – aber die Stummheit ihrer nackten Flecken echoten in mir wie Donnerhall. „Verfluchte Scheiße“, schimpfte ich, “ihr undankbaren Geschöpfe, tagelang habe ich mich abgequält euch ein manierliches Aussehen zu verpassen und jetzt dies!“ Wutschnaubend zertrümmerte ich die Machwerke. Von undankbaren Subjekten und Objekten habe ich die Nase gestrichen voll. Ich will auch kein Gutmensch mehr sein und suche deshalb einen Karriere-Berater auf, der mir sagen soll bei wem ich demnächst meine Undankbarkeit ausprobieren kann. Und sollte es Euch treffen: umso besser!

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