Montag, 6. Juni 2011

Der Hund und die Wölfin

Er hatte sie schon einige Nächte beobachtet wie sie um den Schafpferch schlich.
Nach Art der Wölfe hatte sie sich nie ganz in die Nähe der Schafe gewagt ohne vorsichtig das Umfeld zu erkunden. Die Schafe hatten gerade gelammt und die Wölfin war schier verrückt vor Gier nach dem zarten Fleisch. Allerdings gab es drei Hütehunde, die ihre Annäherung wohl mit ziemlichen Gebell gemeldet hätten.
Nein, nicht alle Hunde, denn es gab einen, der die wilde Schönheit schon seit längerem beobachtet hatte und sich in sie verliebte. Eines Nachts als die Wölfin sich im Mondlicht heranschlich aber von den anderen Hütehunden verbellt wurde, schlich sich der besagte Verliebte aus dem Pferch und folgte seiner Angebeteten bis zu ihrem Versteck – einer kleinen Höhle weit entfernt von dem Weideplatz – denn Wölfe sind im allgemeinen sehr scheu und meiden den Menschen.
Folglich war die Jägerin gar nicht erfreut, den liebestollen Hütehund bei ihrem Versteck zu sehen. Der merkte jedoch ihren Ärger und schmeichelte ihr, damit sie sich nicht agressiv auf ihn stürzte.
„Meine Gevatterin, eure wilde Schönheit hat mich geblendet, ich sah, wie euch nach den Lämmchen gelüstet und möchte euch meine Dienste im Namen der Minne anbieten.“
Sprach ´s und gab sich sehr untertänig indem er sich jaulend vor sie in den Staub warf. Die Wölfin hatte in ihrem wilden Leben derartige Hingabe noch nicht erlebt. Dennoch blieb sie vorsichtig und knurrte: „ wenn du mir gefällig sein willst, dann führe mich an deinen Wächterkollegen vorbei, damit ich mir ein Lamm stehlen kann. Dann werden wir sehen, was deine Worte für mich wert sind.“
Der Hund war ´s zufrieden und so schlichen beide sich an den Pferch heran, wobei die Ortskunde des Verräters so hilfreich war, daß die beiden anderen Hütehunde keine Witterung nahmen und das Raubtier ungehindert sich unter die Schafe mischen konnte. Dort war ihre Gier so groß, daß sie ein wahres Blutbad unter den neugeborenen Lämmern anrichtete. Alle Vorsicht außer acht lassend, biß sie wie wild um sich, so daß die Schafe blökend in Panik gerieten. Nun stürzten die Hütehunde wütend herbei. Die Wölfin, die häufiger schon zu Gejagten wurde, erfaßte die Situation sofort sprang über die Umzäunung und verschwand im Dunkel der Nacht. Der Verräter, der sich auch an dem Blutbad beteiligt hatte, konnte sich nicht schnell genug entfernen. Die Blutspuren um seine Schnauze waren zudem eindeutig.
Die beiden Hütehunde fielen über ihn her, bissen ihm ein Ohr ab und hätten in ihrer Wut den Hund wahrscheinlich zu Tode gebissen, hätte ihr Herr sie nicht zu sich gerufen, um die Schafe wieder zur Räson zu bringen.
Das nutze der verletzte Hund, um sich eilig, d.h. sofern dies seine Wunden zuließen, zu verdrücken. Er schleppte sich mehr denn er ging zu dem Versteck der Wölfin. Die empfing ihn mit zornigem Knurren. „Was willst du Jammerlappen von mir,“ herrschte sie ihn an.
Wegen deiner Dummheit hätte ich bald mein Leben lassen müssen“ Glaub nicht, daß du ungestraft davonkommst!“ Mit einem Satz sprang sie dem überraschten Hund an die Kehle
und biß diese durch. Zufrieden wandte sie sich ab und murmelte vor sich hin: „so wird es jedem ergehen, der willkürlich sein Lager wegen eines Vorteils wechselt.“

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