Freitag, 22. Mai 2015

Charakterverlust


Am Teichrand steht die Trauerweide,
ein mächt´ger Baum. Im Trauertief
sind ihre Äste in der Neige,
dem Wasser zugewandt so schief.

Sie träumt davon am See zu stehen
wo Zu – und Abfluß sich ergänzen,
wo spiegelnd sie im Wasser sich zu sehen
mit ihrer Schönheit könnte glänzen.

Am Teich, des trüben Wasser Algengrün besetzt,
ist Traurigkeit – nicht Selbstbewußtsein angesagt.
tief hängend werden Blätter schon benetzt,
dem lauen Wind sie ´s flüsternd klagt.

Ständ´ sie am Fluß, an einem großen See,
wo klares Wasser ihre Wurzeln näßte,
die Trauer, sie verschwände jeh,
das wäre für sie wohl das Beste!

Doch würde sie noch ihrer Selbst gerecht?
Vielleicht zwar Weide noch auf Stock geschoren.
Den Anblick fände sie bestimmt dann schlecht,
wenngleich die tiefe Trauer sie verloren.

Der Schönheit – für die Augen ein Genuß-
und ihrer Majestät beraubt,
mit Gleichen stände sie an See und Fluß,
doch glücklich wär sie nicht, wie sie es glaubt!

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